Skip to main content

Willkommen in der faszinierenden Welt von "The Pool"

Ein ehemaliges Schwimmbad im Düsseldorfer Stadtteil Golzheim wird neuerdings mit Kultur bespielt. Ausstellungen, Konzerte, Performances. Der Ort ist ebenso magisch wie versteckt. Hinter einem unscheinbaren Hochhaus aus den 1960er Jahren führt eine Treppe unter die Erde. Dort eröffnet sich die faszinierende Welt von „The Pool“.

Eine Schönheit, nein, eine Schönheit ist es nicht, das neunstöckige Hochhaus auf der Düsseldorfer Tersteegenstraße. Mit seinen Balkonen, die mit Waschbeton verkleidet sind, könnte es auch in Kiew stehen. In Warschau. Oder in Belgrad. Stattdessen weht mitten im Stadtteil Golzheim ein Hauch von Brutalismus. Orange Markisen stammen vermutlich noch aus jener Zeit, als der Bau entstand. 1965. Auf den Balkonen ein paar bepflanzte Blumenkästen. Ein Lampion im Wind. Vereinzelte Menschen schauen über die Brüstung in die Gegend. Die Szenerie wirkt zunächst eher unscheinbar, alltäglich und wenig spektakulär. Hinter dem Haus, das bei 48 Metern Länge gerade einmal 11 Meter breit ist, verbirgt sich allerdings ein geradezu magischer Ort. Aus einer Rasenfläche erheben sich – Brustwarzen gleich – Halbkugeln aus durchsichtigem Plexiglas. Manche der Oberlichter sind im Laufe der Jahre blind geworden. Andere geben den Blick frei in ein unterirdisches Paralleluniversum, das seit diesem Jahr unter „The Pool“ firmiert.

Tatsächlich wurden die rund 360 Quadratmeter großen Räume unter der Erde von ihrem Erschaffer einst als Schwimmbad konzipiert. Kein öffentliches allerdings, sondern eines, das den Bewohnern des benachbarten Hochhauses vorbehalten war. Die konnten im Bademantel im Aufzug in die Tiefgarage schweben, von wo aus der Schwimmbadbereich mit Sauna über zwei Zugänge erreichbar war.

Zwischen 8.45 und 12 Uhr geschlossen

Über der Verbindungstür hängen bis heute die Öffnungszeiten: Montag: 6 bis 8:45 Uhr und 12 bis 22 Uhr. Man fragt sich, wieso zwischen 8:45 und 12 Uhr geschlossen war. Das Rätsel dürfte sich nicht mehr lösen lassen, denn das Wasser aus dem Becken wurde schon lange abgelassen. Und auch der Architekt, der sich das ungewöhnliche Ensemble ausdachte, ist schon vor vielen Jahren verschieden: Paul Maximilian Heinrich Schneider von Esleben, genannt Paul Schneider-Esleben, starb im Jahr 2005. In seiner Geburtsstadt Düsseldorf hat PSE viele architektonische Spuren hinterlassen. Er entwarf unter anderem das Mannesmann-Hochhaus, die Haniel-Garage sowie die Rochuskirche, aber auch den Flughafen Köln-Bonn. Das Ensemble in Golzheim spielt in seiner architektonischen Hinterlassenschaft eine eher untergeordnete Rolle.

Bis zu seinem Tod wohnte und arbeitete der Architekt und Vater von Kraftwerk-Gründer Florian Schneider-Esleben in einem gläsernen Penthouse im obersten Geschoss des Hochhauses. 360 Quadratmeter Wohnfläche. 170 Quadratmeter Dachterrasse rechts. 170 Quadratmeter Dachterrasse links. Bescheidenheit scheint Schneider-Esleben nicht als Zier empfunden zu haben. Der Ausblick aus der obersten Etage sei jedenfalls gigantisch, weiß Michael Krey: „Du siehst den Kölner Dom, du siehst Garzweiler, du siehst den Stahl-Abstich in Duisburg.“ Wie Schneider-Esleben ist auch Krey Architekt. Im Auftrag des dänischen Investmentfonds, dem das Ensemble auf der Tersteegenstraße heute gehört, hat er 2020 das Penthouse umgebaut. Auch das ehemalige Schwimmbad soll in Zukunft zu Wohnraum umfunktioniert werden. Fünf zweigeschossige Apartments sind dort geplant. Bis mit dem Bau begonnen wird, könnten aber noch ein bis zwei Jahre vergehen, schätzt der Architekt im Herbst 2021. Bis zum Baustart müsste man mit den Räumen eigentlich was machen, dachte er so bei sich. Kurz darauf kam der erste Lockdown. Nach einem Jahr Corona-Krise entschloss sich Krey – gemeinsam mit der Künstlerin Heinke Haberland – die unterirdischen Räume übergangsweise zu mieten, um sie mit Ausstellungen und anderen Kulturveranstaltungen zu bespielen.

Wenn du das Ganze von oben siehst, mutet es ja an wie eine Raumstation auf einem fremden Planeten, mit den Plexiglas-Kuppeln.

Heinke Haberland

Die Idee für die erste Ausstellung „Right here right now“ ergab sich durch einen Zufall. Krey wollte eine Arbeit des Fotografen Markus Luigs („Düsseldorfer Perlen“) erwerben. Eine Ansicht der Tordurchfahrt auf der Mintropstraße, hinter der sich bis 2009 Kraftwerks legendäres Kling Klang Studio verbarg. Als Krey Luigs im Atelier in Flingern aufsuchte, erfuhr er dann, dass es auch zahlreiche Aufnahmen aus dem Inneren des Kling Klang Studios gab. Die Idee einer Ausstellung in den Räumen des einstigen Schwimmbads lag quasi auf der Hand. Es wurde dann nicht wie ursprünglich angedacht eine Luigssche Soloshow, sondern eine Gruppenausstellung mit insgesamt acht Künstler:innen, zusammengestellt von Gabi Luigs. Im August 2021 fand die Vernissage statt. Das Interesse war groß: 150 Besucher:innen fanden alleine am ersten Abend den Weg unter die Golzheimer Erde – und waren von der Kunst und natürlich von den Räumen an sich begeistert. „Anders als bei einem Wohnhaus konnte Schneider-Esleben bei dem Schwimmbad wesentlich freier arbeiten“, so Heinke Haberland. „Wenn du das Ganze von oben siehst, mutet es ja an wie eine Raumstation auf einem fremden Planeten, mit den Plexiglas-Kuppeln.“ Eine alte Dame kannte die Räume sogar noch in ihrer ursprünglichen Funktion. Ihre Tochter hatte einst im „The Pool“ schwimmen gelernt.

Ein Hologramm für den König

Das Becken von damals ist heute nur noch ansatzweise zu erkennen. Die Modefirma, die die Location nach dem Ende des Schwimmbads als Showroom nutzte, hat eine zusätzliche Ebene eingezogen, das Becken diente zu der Zeit als Catwalk. Auch von der Mode und den Badegästen abgesehen haben die Räume schon viel gesehen: 2014 drehte der Regisseur Tom Tykwer in Golzheim Szenen für seinen Kinofilm „Ein Hologramm für den König“. In der Hauptrolle: Tom Hanks. Regisseur und Protagonist haben sich auf der Wand eines Nebenraums mit ihren Unterschriften verewigt. Der Film selbst soll dann aber eher ein Flop gewesen sein, mutmaßt jedenfalls Michael Krey: „Ich habe noch niemanden gesprochen, der ihn gesehen hat.“

Trotzdem trägt auch diese Anekdote natürlich zur Legendenbildung bei. Das wissen Krey und Haberland, die in der Zeit, die ihrem Projekt bis zum Bau der Apartments bleibt, noch einiges vorhaben. „Wir möchten keinesfalls ausschließlich Kunst aus dem Elfenbeinturm zeigen, sondern auch Randbereiche der Kreativität wie Architektur, Design und Mode“, sagt Haberland. „Eben alles, was spannend ist.“ Für Dezember plant das Duo eine Ausstellung mit der Düsseldorfer Künstlerin Shannon Sinclair, die in ihren Arbeiten die Rolle der Bilder zur Identitätsbildung unter heutigen medialen Bedingungen untersucht. 2022 würde Krey dann gerne gemeinsam mit seinem Kollegen Andreas Knapp von „Küss den Frosch“ eine Architektur-Ausstellung auf die Beine stellen. Dabei soll es ausschließlich um Projekte in Düsseldorf gehen, in denen Bestehendes erhalten und umgenutzt – und eben nicht abgerissen wird. Auch der Grafikdesign-Klasse der HS von Carla Meurer hat man bereits zugesagt, dass sie die studentischen Arbeiten an der Tersteegenstraße zeigen darf. Die Ideen dürften Krey und Haberland also so schnell nicht ausgehen. Trotzdem ist den beiden klar, dass noch lange nicht alles in der untergrundigen Location mit dem sehr besonderen Licht umsetzbar ist. „Die Räume sind so special, dass man als Künstler schon darauf eingehen muss“, sagt Heinke Haberland. „Man kann nicht einfach reinkommen und etwas aufhängen wie in einem Museum oder in einer Galerie. So ganz white cube ist es halt nicht.“

The Pool, Tersteegenstraße 63-66, Düsseldorf, the-pool.space

Text & Fotos: Alexandra Wehrmann