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Aus Bildern, die ihr in Zeitschriften begegnen, gestaltet die Düsseldorferin Cornelia Greef mit Skalpell und Klebstoff neue Welten. Bis heute hat sie das, was vor drei Jahren begann, nicht mehr losgelassen.

An einem Abend im Winter 2019, draußen war es schon dunkel, nahm sich Greef die Architektur-Zeitschriften vor. Sie hatte sie von einer Messe mitgebracht, seitdem lagen sie ungelesen in ihrer Wohnung herum. Greef klappte den kleinen Wandtisch im Wohnzimmer herunter, legte die grüne Schneidematte unter, nahm das Skalpell zur Hand und begann, die Magazine zu zerlegen. Mit ruhiger Hand schnitt sie Betonbauten aus, Menschen, Fenster, Vorhänge, Augen und vieles mehr. „Beim Collagieren arbeite ich analog. Eine Manipulation durch den Computer gibt es dabei nicht. Ich verwende alles so, wie ich es finde und arrangiere die Einzelteile zu etwas Neuem“, erklärt Greef. Dabei verschieben sich Perspektiven, Größenverhältnisse ändern sich. Es entstehen Räume, die ihren Ursprung in Bestehendem haben. Diese Form der künstlerischen Arbeit hat für Greef etwas geradezu Meditatives. Sie bilde einen angenehmen Gegenpol zu ihrem Beruf im Architekturbüro, sagt sie: „In meinem Job muss ich mich häufig sehr konzentrieren, viele Dinge gleichzeitig auf dem Schirm haben.“ Die Arbeit mit Skalpell und Klebstoff hingegen funktioniere nicht nach dem Gesetz der Logik, sondern habe etwas angenehm Intuitives: „Es passiert einfach. Ich muss nichts planen.“

Während Greef das so erzählt, sitzt sie in ihrem kleinen Hinterhof-Atelier in Düsseldorf-Flingern. Vor ihr auf der Schneidematte liegen unzählige ausgeschnittene Teile. Eine Büste, eine Frau mit nackten Brüsten, ein Flamingo und ein Teddybär, daneben ihr Werkzeug: das Skalpell. Seit einem Dreiviertel Jahr, seit sie nicht mehr zuhause arbeitet, kann sie die Materialien einfach liegenlassen. Die Zeitschriften-Türme, die in ihrem heimischen Wohnzimmer rechts und links ihres Arbeitsplatzes gen Decke wuchsen, sind mittlerweile verschwunden. Ein Luxus, den sie immer noch zu schätzen weiß. Greef trägt eine dunkelblaue gerade geschnittene Jeans zu schwarzen Lederstiefeletten und schlichtem schwarzen Pulli. Ihr kurzer Pony fällt so ordentlich in die Stirn, als komme sie gerade vom Friseur. Das Fenster vor ihrem Schreibtisch gibt den Blick auf den ruhigen Innenhof frei: zahlreiche Blumentöpfe, zwei grün lackierte Metallfässer und ein Holzstuhl, von dem die weiße Farbe abblättert. Obwohl der Novembertag ungewöhnlich mild ist, hat Greef drinnen die Heizung angestellt. Dazu gibt es Kaffee und Kekse. Ihre Ateliernachbarin, eine Grafikdesignerin, ist nicht da: „Die kommt meistens tagsüber.“ Greef bevorzugt Abende oder Wochenenden. Ein-, zweimal pro Woche, häufiger schafft sie es ohnehin meist nicht. An der Wand des Ateliers hängen einige fertige Collagen von ihr. Auf einem winzigen Zettel, der mit einer Nadel an die Wand gepiekst ist, steht das Wort „Amore“. In Regalen stapeln sich Zeitschriften. art. dummy. flow. Whitelies. Vogue. Das Architektur-Magazin AIT. Alles Ausgangsmaterial für Greefs Kunst. „Seit ich die Collagen mache, bin ich gute Kundin in der Bahnhofsbuchhandlung“, lacht die 46-Jährige. „Aber ich habe auch schon ganze Magazin-Jahrgänge bei Ebay gekauft oder von Freunden geschenkt bekommen.“

Keine Eile

Gerade mal zwei Ausstellungen hat Greef bisher absolviert. Die letzte liegt bei unserem Treffen erst ein paar Wochen zurück. Sie fand in einem Geschäft auf der Ackerstraße statt. Die Resonanz: ziemlich gut. Sieben von elf ausgestellten Werken wurden verkauft. „Diesmal hatte ich sogar vorher eine Preisliste gemacht“, erzählt Greef. Bei ihrer ersten Ausstellung musste sie auf die Frage nach den Preisen noch passen – so wenig hatte sie offenbar damit gerechnet, jemand könne ihre Arbeiten kaufen wollen. „Ich wusste ja noch nicht mal, ob ich die Sachen überhaupt abgeben möchte.“ Cornelia Greef hat es nicht eilig. Sie lässt den Dingen die Zeit, die sie brauchen. Als sie mit dem Collagieren begann, bekam ihre Werke nur der engste Kreis zu sehen. Ihr Lebensgefährte. Ihre beiden Kinder. Gute Freunde. Irgendwann beschloss sie, die Collagen bei Instagram hochzuladen – und bekam mehr und mehr Feedback. „Die Sachen sind super“, befanden die Leute. Und: „Mach doch mal eine Ausstellung!“ Greef war sich nicht sicher. Sie und Ausstellung? War das überhaupt legitim, durfte sie das? Schließlich hatte sie keine Kunsthochschule besucht. “ Irgendwann hatte der Mut die Zweifel niedergerungen. Und ein kleiner Ausstellungsraum, den sie kostenfrei nutzen konnte, war auch gefunden. Wegen der Pandemie durften die Besucher ausschließlich nach vorheriger Anmeldung kommen, mehr als zwei Leute gleichzeitig waren nicht erlaubt. Greef spielte das regelrecht in die Karten: Sie konnte auf jeden einzelnen Gast eingehen. Und die Collagen bekamen die Aufmerksamkeit, die sie verdienten. „Ein Bild bei Instagram hochzuladen hat etwas sehr Anonymes. Für die Menschen, die es dort sehen, bin ich ja eine Fremde. Das ist bei einer Ausstellung natürlich ganz anders. Da bin ich als Künstlerin konfrontiert mit Menschen, die mich besuchen.“

Der Faktor Zeit ist bei Cornelia Greefs künstlerischer Arbeit eher unberechenbar. Manche Werke entstehen innerhalb von nur einer Stunde. An anderen arbeitet sie über viele Wochen, „die lege ich wieder und wieder zur Seite, bis ich irgendwann das richtige Teil finde, die zündende Idee habe“. Allen Collagen gemein ist, dass sie unbewusst entstehen, erzählt die Künstlerin: „Ich überlege mir vorher kein Thema.“ In einer fertigen Arbeit erkennt sie dann aber schon manchmal, warum es so gekommen ist wie es gekommen ist. „Im Nachhinein sehe ich in den Collagen immer wieder Themen, die etwas mit mir zu tun haben, die etwas Diffuses in mir sichtbar machen, mir Klarheit geben, mich zum Nachdenken bringen“, so Greef. „Es ist eine Bearbeitung von Gefühlszuständen. Aber auch von Themen, die mich umgeben, Nachrichten und so weiter. Fast wie eine Art Tagebuch.“ In den drei Jahren, die sie nunmehr künstlerisch arbeitet, habe es folgerichtig Phasen gegeben, in denen bestimmte Motive immer wiederkehrten. Waren in den frühen Werken noch häufig Bühnenräume zu finden, waren es später Fenster, die den Blick auf Dahinterliegendes freigaben. Auch der Pool ist ein häufiges Motiv. Und einsame Frauen in fremden Welten. Darüber hinaus „spielt Architektur immer eine Rolle, sei es nun von innen oder von außen“.

Der erste Mensch, der eine fertige Arbeit von Cornelia Greef zu sehen bekommt, ist bis heute ihr Lebensgefährte, Tom Blankenberg. Er würde die Collagen seiner Partnerin gerne bereisen – so schreibt es der Musiker und Komponist in einem Text auf ihrer Webseite. Vielen anderen Betrachtern dürfte es ähnlich gehen. Jetzt gilt es nur noch herausfinden, welchen Weg man einschlagen muss, um in die wundersamen, unbekannten, manchmal auch seltsamen Welten der Frau Greef zu gelangen. Dann kann die Reise losgehen.

corneliagreef.de

https://www.instagram.com/conroh/

https://www.facebook.com/cornelia.rohkamper

Anstehende Ausstellungstermine von Cornelia Greef:
20. – 23. April 2023, Nilsson, Martinstraße 58, Düsseldorf

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