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Im Kölner Store Heimat trifft ein intellektuelles Modeverständnis auf rheinische Fröhlichkeit.

Ein minimalistisch eingerichtetes Ladenlokal in Köln, das maximalistischer Mode zu vollendeter Präsenz verhilft – und ein Name, der zu diesem Konzept nur vordergründig im Kontrast steht. Seit nunmehr 20 Jahren bieten Andreas Hoyer und sein Partner, der Belgier Andy Scherpereel, avantgardistischen Kollektionen hier eine Heimat. In ihrem Kosmos spielen die Kollektionen von Walter Van Beirendonck, Issey Miyake, Comme des Garçons, CFCL und UJOH eine bedeutende Rolle – außerdem das Thema Farbe. Kein Wunder, spiegelt sich darin doch die Fröhlichkeit und Lebenslust des Heimat-Duos.

Was hat euch 2002 bewogen, den Namen Heimat zu wählen?

AS: Als wir das Geschäft 2002 eröffneten, war die New Economy gerade ganz groß und die Welt voller Anglizismen. Dem wollten wir uns entziehen. Den Heimatbegriff gibt es nicht in jeder Sprache und er hat für uns eine gewisse Poesie, denn Heimat kann ja unter Umständen auch nur ein Gefühl und einen Geruch meinen. Das hat also in unserem Fall rein gar nichts mit Deutschtümelei zu tun, vielmehr möchten wir internationalen Kollektionen einen Heimathafen anbieten.

Euer Store ist sehr minimalistisch eingerichtet – und es gibt verhältnismäßig wenige Stücke zur Auswahl. Wie kommt das an?

AS: Zu uns kommt man im Idealfall nicht, weil man auf der Suche nach einem bestimmten Kleidungsstück ist – eher finden die Looks ihre Liebhaber*innen. Das ist ein feiner Unterschied. Bis es jedoch so weit ist, können auch schon mal Stunden vergehen, denn nicht selten müssen zunächst Seh- und Tragegewohnheiten durchbrochen werden. Doch da wir fast ausschließlich Stammkundschaft haben, ist das schon eingeübt. Dass unsere Kund*innen immer wieder kommen, bestärkt uns in unserer Mission.

Ihr präsentiert viele sehr avantgardistische Einzelstücke. Wie geht ihr an den Einkauf heran?

AH: Wir streben danach, uns nicht auf Verkaufserfolgen auszuruhen, sprich: der Versuchung zu widerstehen, sie wiederholen zu wollen. Vielmehr möchten wir zur jeweiligen Kollektion, für die wir uns entscheiden, ein Narrativ entwickeln, eine Geschichte erzählen. Wenn wir uns auf den Weg nach Paris in die Showrooms machen, dann ohne Bilder im Kopf – wir kaufen schlichtweg das, was wir schön finden, und lassen uns dabei stets ein bisschen treiben. Das empfehlen wir auch unseren Kund*innen.

Weshalb?

AS: Ich vergleiche den Prozess des Einkaufens gerne mit der Partnersuche: Wenn du von vornherein schon mit Ausschlusskriterien hantierst, verpasst du viele Möglichkeiten. Ich rate immer: Macht doch mal die Türen auf, statt sie zuzumachen! In meinen Augen ist Selbstbegrenzung das Schlechteste, was man tun kann. Man setzt sich selbst in ein Gefängnis.

Heimat Store Cologne

Welche Beratung lasst ihr euren Kund*innen angedeihen?

AH: Wir versuchen sie zu überzeugen, vieles auszuprobieren, es einfach einmal anzuziehen – selbst Teile, die sie vielleicht nicht kaufen werden. Das hat etwas von Spiel und Improvisation, vom Ausprobieren fremder Identitäten. Nicht selten erleben wir und die Kund*innen dabei Überraschungen: Der Körper verändert sich in dem Kleidungsstück, man fühlt sich plötzlich anders. Das sind bisweilen tolle Erfahrungen.

Ihr nehmt euch also Zeit für einen spielerischen Prozess?

AS: Genau! Denn, warum spielen Kinder so gerne verkleiden? Weil sie dabei in eine neue Rolle schlüpfen können. Wir Erwachsenen aber praktizieren das kaum noch. Erinnerst du dich an unsere Aktion im Rahmen des „Strike a pose“-Festivals im Sommer 2022? Damals hatten wir im K21 eine Holzwand aufgebaut, wie man sie von Kinderspielplätzen kennt. Darauf waren vier Typen in aktuellen Looks der Saison abgebildet. Die Besucher*innen konnten ihre Köpfe durch vier ovale Löcher in der Wand stecken und sich dann fotografieren lassen, das Prinzip ist bekannt. Wir wollten damit genau diese Hemmschwelle durchbrechen – schlüpf doch einfach mal in die Haut eines oder einer anderen!

Kostet euch diese tägliche Überzeugungsarbeit nicht sehr viel Energie?

AS: Nein! Wir lieben es und es macht uns nach 20 Jahren immer noch genauso viel Spaß wie am Anfang. Es kommen aber auch viele ziemlich eigene Charaktere zu uns. Das ist immer sehr lustig.

Wie hoch ist der Anteil an Stammkund*innen?

AH: Erstaunlich hoch! 90 bis 95 Prozent sind Stammkund*innen, eine sehr treue Klientel. Sie empfehlen uns dann meist auch ihren Freund*innen, so dass dieser Zirkel immer weiterwächst.

Wie würdet ihr selbst euren Stil beschreiben?

AH: Nun, Farben waren uns ja schon immer wichtig, das zieht sich durch die letzten 20 Jahre. Wir sind eher fröhlich und mögen es nicht, wenn ein Look zu schwer wird. Traurigkeit ist also eher nicht so unser Ding. Ganz wichtig ist Alltagstauglichkeit, was aber nicht heißt, dass es sich um Basic Looks handelt! Die „Homme Plissé“und die Damen Hauptline des kürzlich verstorbenen Issey Miyake sind in diesem Zusammenhang interessant, weil man alles problemlos waschen kann und die Teile nicht knittern.

Eure Einrichtung ist speziell, die Regale wirken von vorne hermetisch abgeschlossen. Schaut man durch die Fenster, sieht man nur ein paar Schaufensterpuppen im Laden, aber sonst kaum etwas von der Mode.

AH: Das war natürlich eine bewusste Entscheidung. Die Grundidee ist, im Innern des Ladens einen privaten Raum zu schaffen: Die Umkleidekabinen sind ein Bollwerk nach außen, sie bieten einen Schutzraum, dort kann man in eine neue Hülle schlüpfen. Die zurückhaltenden Möbel sind ein Passepartout für die Mode. Sie sollen nicht ablenken von dem, worum es geht. Wir sind der Überzeugung, dass die Kollektionen selbst viel zu erzählen haben und dass ihnen die Bühne gehören sollte.

Photos: Ilona Marx

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