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Wenn man durch Kölns Straßen schlendert, werden sie einem schon nach ein paar Schritten auffallen: die gefliesten Fassaden der Kölner Nachkriegsarchitektur. Bei vielen Rheinländern und Besuchern als unansehnlich verschrien, haben sie doch ihren ganz eigenen Charme. Ich nenne Köln gerne scherzhaft “Das Lissabon des Rheinlands”, denn nirgendwo sonst in Deutschland findet man wohl eine solche Vielfalt an bunten verkachelten Häuserzeilen. So abwegig ist der Vergleich eigentlich auch nicht: Die Kachel ist nicht nur eine der ältesten Erfindungen überhaupt, sondern unterliegt Jahrhunderte alter Tradition als Schmuckverzierung von Wänden und Fassaden von Persien bis Portugal. Klar, die Fliesen sind bei uns in Deutschland bei weitem nicht so schmuckvoll verziert, haben aber durchaus einen großen Einfluss auf das Kölner Stadtbild.

Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg

Nach dem zweiten Weltkrieg lag Köln in Trümmern, fast 78% der Stadt waren zerstört. Nach jahrelanger Unordnung, Schutt und Asche sehnte man sich beim Wiederaufbau Deutschlands besonders nach geraden Linien und Sauberkeit. Nichts konnte diese Sehnsucht besser erfüllen als die Fliese. Badezimmer, Operationsräume, Schwimmbäder – Kacheln sind fest, porenfrei und vor allem abwaschbar und sorgten in der Architektur der 50er und 60er Jahre für neue Ordnung und Ästhetik. Angefangen mit Metzgereien, die die Verkachelung von innen nach außen trugen, um Hygiene in ihrem Geschäft zu symbolisieren, breitete sich der Trend zur Fliese immer weiter aus.

Kölnkacheln

Sie schmücken die Häuser bis heute nicht nur in weiß oder hellblau, sondern auch in gelb, rosa, schwarz und pink. Ich mache es bei meinen Besuchen in Köln regelrecht zum Sport neue Muster, Formen und Farben zu meinem mentalen Panini-Sammelalbum hinzuzufügen und Fassaden zu entdecken, die mir vorher noch nicht aufgefallen waren. Inzwischen gibt es auch einige Street-Art-Künstler, die die Fliese für sich als Medium entdeckt haben: So zum Beispiel die fröhlichen Strichmännchen-Botschaften von „SweetNini“ oder die politisch-kritischen Arbeiten von „ARMX“.

Es lohnt sich also, das vermeintlich Hässliche einer Stadt mal mit anderen Augen zu sehen, auf Details zu achten, die grafischen Elemente zu entdecken und den Kontrast der Häuser untereinander zu vergleichen. So macht ein Spaziergang durch Köln gleich noch ein bisschen mehr Spaß.

Manche sind klein wie ein Mosaik, manche groß und weiß, viele bunt gemustert: Die Fliesen auf den Fassaden der Kölner Nachkriegsarchitektur.

4711 echt kölsche Fliese: Auch das ehemalige Gebäude des Kölner Parfumgiganten ist verkachelt

Fliese trifft auf Street Art in Ehrenfeld

Fliesen innen und außen: Das Kölner Agrippabad

Nicht immer sind es ganze Fassaden, manchmal auch nur kleine geflieste Schmuckelemente, so wie hier im Griechenviertel

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