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In dem Düsseldorfer Stadtteil Oberbilk leben Menschen aus 135 unterschiedlichen Ländern. Das prägt natürlich auch das gastronomische Angebot des Viertels, das zu den exotischsten und vielfältigsten der Landeshauptstadt gehört. Obwohl Oberbilk den Beinamen „Klein-Marokko“ trägt, gibt es keinesfalls ausschließlich Tajine, Merguez und Minztee, sondern auch Köstlichkeiten aus Korea, dem Nahen Osten oder Vietnam. Eine kulinarische Reise hinter den Düsseldorfer Hauptbahnhof.

Männer beim Minztee

Das Mamounia ist so etwas wie das gastronomische Eingangstor zu Oberbilk, liegt es doch unweit des Hauptbahnhofs. Wer von dort aus gen Ellerstraße strebt, passiert das marokkanische Café zwangsläufig. Das Ecklokal mit den orangen Sonnenschirmen auf dem Trottoir ist fest in nordafrikanischer und männlicher Hand. Auf der riesigen Außenterrasse sitzen von morgens früh an zahlreiche Männer, die ihre Umgebung stets im Auge behalten – und dabei plauschend Minztee genießen. Basis für das im gesamten Viertel beliebte Heißgetränk sind getrocknete Grüntee-Blätter, die mit heißem Wasser übergossen und mit reichlich Zucker versetzt werden, bevor der Tee für drei bis vier Minuten auf dem Herd gekocht wird. Dann erst kommt die namengebende Minze hinzu. Das süffige Süßgetränk wird in nordafrikanischen Ländern – und in Oberbilk ist es nicht anders – als kleine Auszeit vom Alltag zelebriert und kann zu jeder Tages- und Nachtzeit genossen werden, gerne auch in Begleitung einer landesüblichen Süßigkeit.

Marokkanischer Minztee ist in Oberbilk mitunter im Mamounia erhältlich.

Jeden Tag Zucker-Fest

Da trifft es sich gut, dass DIE Anlaufstelle für marokkanisches Gebäck nur einen Steinwurf vom Mamounia entfernt liegt. In der Patisserie Tanger entstehen aus Zutaten wie Nüssen, Mandeln, Pistazien, Marzipan, Rosen- oder Orangenblütenwasser, Datteln oder Sesam süße Köstlichkeiten, die weit über das Viertel hinaus bekannt und beliebt sind. Während die anderen nordafrikanischen Süßwarenläden in Oberbilk ihre Ware geliefert bekommen, produziert die Patisserie Tanger selbst: Zwei bis drei Mal pro Woche wird in der Backstube hinter dem kleinen Ladenlokal der Ofen angeworfen.

In der Patisserie Tanger entstehen aus Zutaten wie Nüssen, Mandeln, Pistazien, Marzipan, Rosen- oder Orangenblütenwasser, Datteln oder Sesam süße Köstlichkeiten, die weit über das Viertel hinaus bekannt und beliebt sind.

Und immer wieder werden neue Rezepte ausprobiert. Das Angebot ist daher bei jedem Besuch ein anderes, jedes Mal gibt es etwas Neues zu entdecken. Besonders empfohlen seien an dieser Stelle die sogenannten Kaab Lghzal (übersetzt: Gazellenhörnchen), die mit einer Mandelfüllung angeboten werden und in Marokko traditionell zu besonderen Anlässen wie beispielsweise Hochzeiten gereicht werden. Verzehren kann man sie – und alles andere – an den Tischen im Verkaufsraum oder neuerdings auch auf der Gehweg-Terrasse.

Rollenspiele

Von Nordafrika geht es nun weiter in den fernen Osten. Zum Mandu, einem kleinen koreanischen Imbiss, der schon seit 2005 auf der Eisenstraße seine Gäste empfängt und im Viertel viele Fans hat. In Sachen Fleiß und Disziplin macht der Betreiberin Un Yong Chung keiner etwas vor. An sechs von sieben Tagen in der Woche steht sie in ihrer obligatorischen roten Schürze hinter der Theke. Chung nimmt Bestellungen entgegen, brät koreanische Pfannkuchen mit Kimchi, kocht Nudelsuppe und rollt Gimbap.

Auf den ersten Blick erinnert letzteres an japanischen Maki oder Sushi-Rollen. Es gibt allerdings mehrere entscheidende Unterschiede: Roher Fisch wird im Gegensatz zu Sushi bei Gimbap nicht verwendet. Stattdessen können die koreanischen Röllchen im Mantel aus getrocknetem Purpurtang unterschiedliche Zutaten enthalten: eingelegten Rettich zum Beispiel, Omelette oder – in der nicht-vegetarischen Variante – auch Krebsfleisch. Dazu reicht man im Mandu Sojasauce und Wasabi, auch wenn das im Mutterland des Gimbap eher unüblich ist. Der Name der Röllchen ist übrigens Programm: Gim ist das koreanische Wort für den getrockneten Purpurtang und Bap meint gekochten Reis.

Kleine Schwester des Döners

Eine türkische Spezialität, die hierzulande bei weitem noch nicht so große Verbreitung gefunden hat  wie die „große Schwester“ Döner ist nur zwei Ecken vom Mandu entfernt zu verkosten: Gözleme. Die dünnen, würzig gefüllten Fladenbrote aus Yufka-Teig sind eine Spezialität aus Anatolien, wo sie ursprünglich auf einem erhitzten Stein gebacken wurden. Die Herstellung ist einigermaßen aufwendig, weiß Ali Aktas, der an der Ellerstraße Ecke Linienstraße das Has Döner betreibt. Der Teig für die Gözleme, der aus Mehl, Wasser, Salz und Hefe entsteht, muss – ähnlich wie Strudelteig – zunächst eine halbe Stunde unter einem feuchten Tuch ruhen, bevor er zu sehr dünnen, tellergroßen Fladen ausgerollt wird.

Nicht zuletzt ob dieses Aufwands ist das Has Döner einer der wenigen Orte in Düsseldorf, an denen Gözleme angeboten werden. Es gibt sie – täglich außer dienstags – in maximal drei Variationen: mit Kartoffeln, mit Spinat und Schafskäse und mit Rinderhack. Pro Stück schlagen sie mit zwei Euro zu Buche. Gebacken werden die Fladen von einer ausgewiesenen Fachfrau, die ausschließlich für ihre Zubereitung zuständig ist, auf dem sogenannten Sac, einer leicht konvex gewölbten gasbetriebenen Heizplatte. Die steht allerdings nicht in Oberbilk (wo die Gözleme nur kurz erwärmt werden), sondern in einer Backstube auf der Birkenstraße. Letztere wird ebenfalls von Herrn Aktas betrieben, sämtliche Backwaren, die bei Has Döner verkauft werden, haben dort ihren Ursprung. Besonderer Beliebtheit erfreuen sich neben den Fladen- und Weißbroten auch die klassisch türkischen Sesamringe, genannt Simit. Nicht wenige Kunden finden, es seien die besten, nicht nur in Oberbilk, sondern in der ganzen Stadt.

Döner mal anders

Der Döner könnte der am häufigsten angebotene Snack in Oberbilk sein. Und die Kölner Straße DIE Döner-Meile. Fünf Läden, die das Fleisch vom Drehspieß offerieren, sind allein hier ansässig. Das Medinem Café ist einer davon, wartet aber mit einer Besonderheit auf, wird das Fleisch – wahlweise Hähnchen oder Kalb – hier doch über Holzkohle gegart. Es dreht sich von außen gut sichtbar an einem horizontalen Spieß über dem offenen Feuer. „Die Zubereitung gibt dem Fleisch ein eher rauchiges Aroma, ähnlich wie bei bei Shawarma, außerdem ist es weniger fettig als bei der herkömmlichen Grillmethode“, sagt einer, der es getestet hat. Auch Gözleme sind im Medinem Café zu haben. Sie werden hier allerdings nicht auf dem Sac gebacken, sondern in einem Holzofen. Nach dem Backen bestreicht man sie, wie in der Türkei üblich, auf Wunsch mit heißer Butter.

In Oberbilk befindet sich die Döner-Meile. Das Medinem Café ist eines davon.

Ca Phe bei Chi Bay

Verglichen mit den Dönerbuden spielen asiatische Restaurantbetriebe in der Oberbilker Gastronomielandschaft eine eher untergeordnete Rolle. Neben dem Mandu hält mittlerweile schon seit vielen Jahren das vietnamesische Restaurant Chi Bay auf der Oberbilker Allee die Stellung. Dort wird auch ein Getränk serviert, mit dem jeder Vietnam-Reisende vor Ort bereits Bekanntschaft gemacht haben dürften: der Ca Phe. Dem Kaffee, den die französischen Kolonialherren einst mit in das südostasiatische Land brachten, verpassten die Einheimischen eine ganz eigene, raffinierte Note. Während das Aufgussgetränk in Deutschland gerne in ganzen Kannen gekocht wird, wird in Vietnam – und auch im Chi Bay – jede Tasse einzeln zubereitet. Dafür setzt man einen Tropffilter mit Siebschale, genannt Phin, auf das Glas auf und füllt ihn mit Kaffeepulver – gerne mit einer Mischung mit hohem Anteil an Robusta-Bohnen. Der fertige Kaffee wird dann um stark gesüßte Kondensmilch ergänzt – fertig ist Ca Phe. In Vietnam serviert man das Getränk aufgrund der dort herrschenden Temperaturen übrigens bevorzugt mit Einwürfeln, als Eiscafé.

Mantı Mantı

Gegen Ende der Tour riskieren wir einen erneuten Abstecher in die Türkei, genauer gesagt zu Elif Durans Büdchen. Dort kommen immer freitags selbstgemachte türkische Teigwaren auf den Teller. Die sogenannten Mantı (nur echt ohne den I-Punkt!) erinnern entfernt an italienische Ravioli, werden aber mit der typisch türkischen Joghurtsauce serviert. Zu haben sind sie sowohl mit Fleisch- als auch mit Käsefüllung immer freitags ab circa 16:30 Uhr und solange der Vorrat reicht. Kleine Portionen schlagen mit 4,50 Euro, große mit 6,50 zu buche. Auf der riesigen Bürgersteig-Terrasse vor dem Büdchen, die schon unter dem Vorbesitzer zu einem der Treffpunkte im Veedel mutierte, sitzt es sich ganz prima. Und kühle Drinks holt man sich einfach drinnen aus dem Kühlschrank.

Hummus-Hype

Zum krönenden Abschluss geht es in das kulinarische Herz von Oberbilk. Das La Grilladine (Grill-Stübchen) ist für viele das beste Restaurant im ganzen Viertel. Das liegt zum einen an den fantastischen Grillgerichten, den Tajines und den wohlschmeckenden Desserts, zu einem großen Teil aber auch am Betreiber. Badr Haddad begrüßt jeden Gast wie einen Freund. Die Vorspeisen – Weißbrot, Oliven, weiße Bohnen und Hummus – gehen in dem kleinen Lokal am Dreiecksplatz stets aufs Haus.

Das Hummus wird trotz des nicht zu unterschätzenden Aufwands jeden Tag selbstgemacht – aus Kichererbsen, Knoblauch, Tahina (Sesammus), Olivenöl, Zitronensaft, Kreuzkümmel und Salz entsteht jener Dipp, der sich im Nahen Osten und in Nordafrika schon lange großer Beliebtheit erfreut. Aber auch hierzulande sind mittlerweile viele auf den Geschmack gekommen. In Köln gibt es mit dem Mashery Hummus Kitchen zum Beispiel bereits ein Lokal, das die Paste in unterschiedlichsten Varianten und Kombinationen in den Fokus rückt. Wer weiß, vielleicht zieht Düsseldorf ja demnächst nach?

Adressen

Text & Fotos: Alexandra Wehrmann

Alexandra Wehrmann hat gemeinsam mit Markus Luigs das Buch „Oberbilk. Hinterm Bahnhof“ geschrieben. Das Werk porträtiert 38 Menschen aus dem Stadtteil in Wort und Bild, darunter auch den Betreiber vom La Grilladine. Das Buch kostet 25 Euro und ist unter duesseldorferperlen.de zu bestellen und im lokalen Buchhandel erhältlich.

Fast wie in New York: Dieses urban Artwork sagt Wir Herz Oberbilk.