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Künstliche Intelligenz ist mir suspekt. Technologie, Zahlen, Maschinen – bei mir als Geisteswissenschaftlerin lösen diese Phänomene Widerstand aus. Ich bin ehrlich, das ist gewiss auch deshalb so, weil ich viele Dinge in diesem Bereich einfach nicht verstehe. Umso mehr feiere ich alle Ausdrucksweisen, die sich der Künstlichen Intelligenz auf Arten und Weisen widmen, die mir nah sind: Der Umstand, dass mehr und mehr Künstler*innen sich der KI widmen, hilft. Bis zum 12. Juni dreht sich in Essen an vielen Orten Vieles um die Verschränkung von Technologie und Kreativität und die Interaktion von Mensch und Maschine. Einen davon habe ich besucht.

Als ich die SPIEL-RÄUME im Forum Kunst und Architektur am Kopstadtplatz betrete, bin ich vor allem eins: neugierig! Ob die ausgestellte Kunst, mir neue Zugänge zur KI verschaffen würde? Die raumgreifende Arbeit von Tega Brain, Julian Oliver und Bengt Sjölén konfrontiert mich unumwunden mit der Ausstellungsthematik. Die Video-Installation erinnert mich an ein Triptychon. Anstelle von christlichen Darstellungen hält sie jedoch Projektionen bereit, die mittels aus dem Internet gezogener Daten, ständig neue, simulierte Umwelt-Szenarien generieren und so unterschiedliche Problemlösungen entwickeln. Okay, das habe ich grob begriffen und die Angst, nichts zu verstehen, ist ein bisschen kleiner geworden.

Dass KI in der Kunst nicht nur die großen globalen Themen adressiert, sondern auch eine spaßige Angelegenheit sein kann, zeigt das interaktive Kammerspiel in Virtual Reality von Banz & Bowinkel im Untergeschoss der Ausstellung. Zum ersten Mal trage ich eine Virtual Reality-Brille und es ist beeindruckend, wie echt sich das digitale Erleben anfühlt – und dass, obwohl ich genau weiß und sehe, dass alles um mich herum virtuell simuliert ist. Ich befinde mich in einer digitalen Szenerie, in der ich, obwohl ich mich nicht vom Fleck bewege, mithilfe des Controllers herumspringen kann. Verrückt! Die Arbeit von Banz & Bowinkel versteht den Menschen als Fehler im System, der immer wieder neue Schleifen von Berechnungen auslöst, sobald er die virtuelle Realität betritt. Okay – ich hab’s kapiert. Es geht doch um die globalen Themen, darum, wie wir im digitalen Raum unsere Spuren hinterlassen und Algorithmen befeuern, die für uns unsichtbar ablaufen, unser Leben aber stark beeinflussen.

Beim Durchschreiten der Tür zu meiner Linken, tauche ich in die Arbeit des Künstlerkollektivs Crosslucid ein. Der komplette Raum ist in orangefarbiges Licht gefärbt und seine Wände sind über und über mit fratzenartigen Gesichtern tapeziert. Mittendrin: zwei Monitore, auf denen ebenjene Gesichter entstehen, sich jedoch verändern und permanent dabei sind, von einem Anblick in einen anderen zu wechseln. Es gibt keinen Endpunkt. Woher kommen die Gesichter und wohin gehen sie? Das bestimmt eine KI-Bildbearbeitung. Die Portraits changieren stets zwischen Mensch und Cyborg. Für alle, die genauso wenig in der KI-Materie stecken, wie ich: Ein Cyborg ist ein Mischwesen aus biologischem Organismus und Maschine.

Nach dem Besuch im Untergeschoss des Forums, geht es auf der anderen Seite wieder hinauf ins Licht – und das, obwohl es bei der hier gezeigten Arbeit von Moritz Simon Geist gar nicht so sehr aufs Sehen, sondern vielmehr aufs Hören ankommt. Der Aufforderung „Press Play“ des beleuchtenden Buttons brav folgend, produziert das undurchschaubare Konstrukt vor mir Töne. Zuerst erscheinen sie willkürlich. Hier einer und dort einer. Aber nach einer Weile, entsteht ein Klangnetz, das man als guten elektronischen Sound bezeichnen könnte. Offensichtlich durch Künstliche Intelligenz produziert. Der Künstler selbst nennt diesen Musikstil robotisch-elektronische Musik. Ich sitze vor der Klanginstallation und lausche noch eine Weile – und ich denke nach: Technologische Entwicklungen, Neuerungen und Zukunftsweisendes haben immer schon – sowohl thematisch als auch formal – Eingang in die Kunst gefunden. Wieso sollte es die Künstliche Intelligenz als Gegenstand der künstlerischen Auseinandersetzung also nicht tun? Ich fühl mich alt, weil ich mich noch ein wenig daran gewöhnen muss. Aber ich glaube, je öfter ich mich damit befasse, desto einfacher wird’s. Also keine Scheu! Falls ihr, wie ich, zu den Technologie-Skeptiker*innen gehört, nutzt die zahlreichen Möglichkeiten der KI-Biennale in Essen, um euch der Sache anzunehmen. Sollte KI voll euer Ding sein, dann müsst ihr natürlich so oder so hin!

Weitere Werke in der Ausstellung SPIEL-RÄUME

Die Videoinstallation „Feeding my uncanny friend with data“ von Havva Ayvalik beschäftigt sich mit dem Thema Freundschaft zu einer Künstlichen Intelligenz. Die Künstlerin lässt Daten aus ihrem Leben mithilfe von Deep Learning in das Gehirn eines „künstlichen Freundes“ fließen. Im Vordergrund richtet die „Androidin“ von Anja Husmann den Blick in die Richtung der Bildschirme. Der silbrig-schimmrige Fembot ist vom weiblichen Roboter Maria aus Fritz Langs Film „Metropolit“ inspiriert.

Katrin Brackmanns Arbeit „Replicant“ ganz rechts auf dem Foto ist von den Darstellungen der Künstlichen Intelligenz aus dem Film „Blade Runner“ inspiriert und von der Frage getrieben: Sind KI-Kreationen perfekter als wir? Links daneben sind Arbeiten aus dem Zyklus „Homo Digitalis“ von Dagmar Schenk-Güllich zu sehen. Die promovierte Philosophin und Künstlerin stellt den Menschen in den Mittelpunkt ihrer Arbeit – immer dessen Interaktion mit der Maschine auslotend.

Diese Arbeit setzt sich mit den Lehren Buddhas und Themen wie „Erleuchtung“ und „Ewiger Zustand von Glückseligkeit“ auseinander. Im Zentrum thront die Darstellung eines roten Buddha, der Freundschaft, Liebe und Harmonie in die Welt bringt. Für den Künstler ist er der Anführer des 21. Jahrhunderts und der Wächter der KI.

Die raumgreifende Arbeit „EX MACHINA“ setzt sich mit den potentiellen Möglichkeiten von Architektur auseinander. Sie ist immer Teil von Cierpiszewskis Werken, für die er den virtuellen Raum des Internets nutzt, gemixt und diverse Netzbilder sammelt. So entstehen wie hier in Essen Wandgestaltungen zwischen Gebäudeform und -inhalt.

Als Ausgangspunkt dient das eigene fotografische Bildmaterial des Kollektivs. Ein Textgenerator dient als Autor, der aus simplen Bildbeschreibungen wundersame Textzeilen kreiert, die mögliche Zusammenhänge zweier Bilder schaffen, die sonst in keinem Bezug zueinander stehen.

Weitere Ausstellungsorte und Termine rund um die KI-Biennale gibt es hier:

https://ki-biennale.de/programm/